Freitag, 6. September 2013

Die Brache liegt im Auge des Betrachters

Stadtentwicklung   |  Kulturforum

Brachfläche oder Ort der Kultur: Blick auf das Kulturforum
In seinem Artikel “Die Edelbrache am Potsdamer Platz” fällt Harald Jähner vernichtende Urteile über das Kulturforum in Berlin-Tiergarten. Ein “Ort der Unkultur sei es, eine absurd unwirtliche Stadtlandschaft”. Das mag auf den ersten Eindruck zutreffen, doch anstatt die Grundidee des Forums zu verdammen, sollte man eher über ihre Verwirklichung nachdenken.

Vom Süden her kommend, wirkt es in der Tat wie ein Loch in der Stadt. Zur rechten Hand türmt sich die Staatsbibliothek auf, zur linken liegt eine scheinbar dahingewürftelte Landschaft an modernen Kuben und in der Mitte tost die Potsdamer Straße mit ihrem überdimensionierten Mittelstreifen. Doch nichts davon ist zufällig. Dem Gebiet, das 1964 unter Hans Scharoun entwickelt wurde, liegt eine Idee zu Grunde, die zwar aus einer anderen Zeit stammt, den Platz jedoch so nachhaltig geprägt hat, dass sie es nicht, verdient, einfach als überholt betrachtet zu werden.



Wie im genannten Artikel von Harald Jähner gesagt sollte hier das kulturelle Herz West-Berlins entstehen und auf eine Art und Weise miteinander verknüpft werden, wie es in der Geschichte bereits im antiken Griechenland geschah. Das Forum als Sinnbild demokratischen und intellektuellen Dialogs sollte die Epochen der Kunst an dieser Stelle zusammenbringen. Auch wenn es heute schwer fällt, das nachzuvollziehen, sollte genau dieses Ansinnen durch die städtebauliche Formen ausgedrückt werden. Dass Kubatur und Boden zu den Seiten hin aufsteigen, ist kein Zufall, sondern sollte ein Tal symbolisieren, in dessen Mitte sich die Ströme der Passanten treffen. Und auch die Offenheit und Durchlässigkeit des Gebiets ist gewollt, sollte hier doch eine “Stadtlandschaft” geschaffen werden, die von großzügigen Freiflächen und einem fließenden Übergang zum im Norden anschließenden Tiergarten lebt. Natürlich hat auch das Konzept der autogerechten Stadt ihre Spuren hinterlassen, jedoch sind die störenden Ausmaße der Potsdamer Straße darauf nicht zurückzuführen. Versteckt hinter dem Staatsbibliothek war die Westtangente geplant, die das Gebiet nach Osten hin rabiat beenden sollte. Die Potsdamer Straße hingegen wäre nach dieser Konzeption wahrscheinlich sogar kleiner geworden und hätte das Forum nicht derart zerschnitten, wie sie es heute tut.

Nun ist die Westtangente zum Glück aber nicht gebaut worden und die politische wie städtebauliche Lage hat die Position des Kulturforums im Berliner Stadtkontext ebenfalls unvorhersehbar geändert. Nach der Wende hat die Museumsinsel die Aufmerksamkeit der Kulturwelt fast alleinig auf sich gezogen und gleich nebenan wurde der mit dem Potsdamer Platz ein Projekt städtebaulicher Dimension in die Höhe gezogen, dass das Kulturforum dahinter kaum mehr wahrgenommen werden konnte. Doch deshalb die ganze Idee des Forums aufzugeben und mit Blockrandbebauung bis an die Potsdamer Straße zu überspielen, hat dieser Ort dennoch nicht verdient. Die Potsdamer Straße wird in ihrer Dimension vermutlich nicht mehr zurückzuschrauben sein, doch sollte der Mittelstreifen eines Tages tatsächlich von einer Straßenbahn genutzt werden, wie schon seit Jahren geplant, hätte der Ort schon mal ein kleines bisschen Leben zurückgewonnen. Um das Forum mit noch mehr Aufenthaltsqualität zu füllen, müsste neben der erleichterten Straßenüberquerung auch die intuitive Verbindung zum Potsdamer Platz verbessert werden. Kleinmaßstäbliche Maßnahmen wie Aufpflasterungen oder Bepflanzungen könnten hier schon viel bringen. Anders als von Jähner gefordert sollten Neubauten sich nicht dem Trend der Zeit beugen und sich am Straßenrand orientieren, sondern vielmehr Inspiration in der Idee von Scharoun suchen.



Es gibt aber noch eine andere Perspektive. Stimmen aus der Forschung vertreten die Meinung, dass das Kulturforum gerade in seiner derzeitigen Form einen Wert an sich darstellt. “Auch ein leerer Platz in der Mitte hat Sinn”, sagt Gabi Dolff-Bonekämper, Professorin für Denkmalpflege an der TU Berlin. Gerade die Tatsache, dass die bewegte Geschichte dieses Platzes so sichtbare Zeugnisse hinterlassen hat, macht ihn in seiner Unvollkommenheit zu einem “Vollendeten Denkmal”. Auch dieser Betrachtungsweise ist sicherlich etwas abzugewinnen, doch sollte sie einer zukünftigen Entwicklung nicht im Wege stehen. Ein Forum im Zentrum kultureller Größen ist keine Idee von gestern. Vielmehr sollte sie weiterverfolgt werden und auch unter den heutigen Rahmenbedingungen umgesetzt werden.

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