Montag, 3. Februar 2014

The American Way of Life in meinem Wohnzimmer

Politik und Gesellschaft  |  Superbowl 2014
Glitzernde Jackets treffen nackte Oberkörper:
Bruno Mars und die Red Hot Chili Peppers
Seatle Seahawks gegen die Denver Broncos: Den meisten Deutschen sagen diese Namen wenig. Doch in den USA bestreiten diese beiden Teams das größte Event des Jahres. Der Superbowl - aus der Sicht eines unbedarften europäischen Beobachters.

Das größte Sportereignis der Welt soll es also sein. Was für Freunde des gepflegten Rasenschachs, den die FIFA alle vier Jahre in irgendwelchen Wüsten dieser Welt austrägt, recht unverständlich klingt, ist für viele Amerikaner Gesetz. Zum Superbowl, dem Finale der US-amerikanischen Football-Liga NFL, steht die USA still. Für die dortige Werbeindustrie ist dieser Abend um ein vielfaches interessanter als das Endspiel der Fußball-WM. Vier Millionen US-Dollar kostet das Privileg, 30 Sekunden lang Produktinformationen in der Halbzeitpause unters Volk bringen zu dürfen. 


Für das europäische Auge scheint dieser Hype schwer nachvollziehbar. Doch in der vergangenen Woche setzte ProSieben-Sat1 alles daran, den geneigten Fernsehzuschauer auch hierzulande in den Bann des Spektakels zu ziehen. Allzweckwaffe Stefan Raab wurde für eine Woche in die USA geschickt und sollte mit "TV Total live aus New York" die Lust auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wecken. Als Höhepunkt seiner Dienstreise wurde die Übertragung des Superbowls mit ihm höchstselbst als Gast angekündigt. Und da man diesem Angebot doch kaum widerstehen kann und das Ganze aus Gründen des Allgemeinwissens auch durchaus interessant ist, beschloss auch ich, mir den American Way of Life in Wohnzimmer zu holen. So fand ich mich um 00:05 bewaffnet mit den obligatorischen Chicken-Wings (1,25 Milliarden werden davon in der Superbowl-Nach in den USA verdrückt) vor dem Fernseher wider harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Zumindest der Kameramann tat seinen Teil, die Anwesenheit Stefan Raabs entsprechend ins Szene zu setzen, indem er zuerst Moderator Frank Buschmann in Großaufnahme zeigte, dann auf den Experten Jan Stecker schwenkte und schließlich als Finale Furioso der Begrüßung den Alleskönner des deutschen TV ins Bild holte. Schnell wurde jedoch deutlich, dass es mit seiner emotionalen Verbundenheit zum Superbowl nicht weiter her ist, als mit meiner. Im Minutentakt ließ er launische Bemerkungen fallen, die das Großereignis auf eine Stufe mit Schlag den Raab oder Zweitligapartien des 1. FC Köln stellte. Sein persönliches Highlight des Abends war ein Hot-Dog mit Sauerkraut. Kaum verwunderlich, dass er sich nur zweimal kurz im Studio blicken ließ und ansonsten den beiden anderen Moderatoren das Feld überließ.

Der Regie schien deren gefälliges Gespräch in Zusammenspiel mit dem aufgeregten Feldreporter Martin Quast, der im Vorfeld statt sportlicher Fakten lieber die junge mexikanische Reporterin neben ihm vorstellte, zu gefallen. Jedenfalls konnte sie sich mitunter davon erst trennen, als die Seatle Seehawks den nächsten Touchdown bereits bejubelten. "ran" entschuldigte sich bei Facebook bereits und verwies auf die Abhängigkeit der amerikanischen Regie. Mich störte das wenig, da ich zu dieser Zeit sowieso noch damit beschäftigt war, die Football-Regeln bei Wikipedia zu studieren. Auch wenn ich zunächst nur heilloses Durcheinander sah, bekamen die Aktionen der Spieler nach und nach auch für meine Augen immer mehr Sinn. Zum Ende hin ertappte ich mich sogar regelmäßig dabei, mit Spannung darauf hinzufiebern, wieder einen erfolgreichen Spielzug zu sehen. Das sollte allerdings auch die einzige Spannung in sportlicher Hinsicht bleiben. Zur Halbzeit führen die Seattle Seehawks mit 22:0.

Doch für Gelegenheitszuschauer wie mich ist die Halbzeitshow schließlich mindestens genauso wichtig wie das Spiel. Auch wenn Bruno Mars meinen persönlichen Geschmack nicht unbedingt trifft und ich überrascht war, dass man ihm das Format zuschreibt, die Halbzeitshow zu bestreiten, blieb auch mir die Schlüsselfunktion dieser Einlage nicht verborgen. Sie vereint das Mainstream-Publikum, lockt auch sport-uninteressierte an und macht international oft größere Schlagzeilen als der sportliche Wettbewerb. Dass die Red Hot Chili Peppers als Sidekick an der Seite von Mars auftraten, brachte entweder eine mir bislang unbekannte Hierarchie der Musikbranche zum Ausdruck oder aber zeigte lediglich die Schnelllebigkeit des Showgeschäfts und in all seiner glänzenden und glitzernden Jugendlichkeit. Für mehr als eine deplatziert anmutende Version von "Give it away" war kein Platz in der schnieken Performance von Bruno Mars.

Die im Sinne der Spannung erhoffte Aufholjagd der Denver Broncos blieb auch in der zweiten Hälfte aus, so viel sei an dieser Stelle bereits gesagt. Ihnen gelang kaum etwas, den Seattle Seahawks hingegen eine Menge, soviel konnte ich auch als Neuling feststellen. Am Ende stand es 43:8. Die Seattle Seahawks gewannen die Superbowl zum ersten Mal in ihrer Klubgeschichte. Doch für Zuschauer wie mich war das - trotz allen neu gewonnenen sportlichen Erkenntnissen - eigentlich nebensächlich. Der Eindruck eines Abends amerikanischer Showkultur wog wesentlich schwerer. Es gab viel Feuerwerk, viele für Werbung maßgeschneiderte Pausen und Gespräche zwischendurch sowie ein logistisches Meisterwerk beim Bühnenaufbau für in der Halbzeitpause. Das alles machte die Übertragung zu einem gleichmäßigen Fluss aus sportlicher Spannung, kurzweiliger Unterhaltung sowie einer gehörigen Portion Konsumkultur. Ein bisschen war es, als ob man Netzer und Delling nicht vor und nach einem Fußballspiel gebündelt, sondern in regelmäßigen Dosen über den ganzen Abend verteilt vorgesetzt bekäme. Mit ebenso regelmäßigen Unterbrechungen des Spiel natürlich. 

Doch ich scheine nicht der einzige gewesen zu sein, den diese Art der nächtlichen Unterhaltung gereizt hat. Sat1 verzeichnete mit 610 000 Zuschauern (22% Marktanteil) eine gute Quote. Ich bin gespannt, wer ich nächsten Jahr Halbzeitact sein wird, doch ich werde wohl wieder dabei sein.





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