Mittwoch, 12. November 2014

Die Mietpreisbremse genügt Michael Müller nicht

Politik und Gesellschaft   |   Mietpreisbremse


Blick über die Schönhauser Allee: Gerade in
Prenzlauer Berg sind die Mieten rapide gestiegen
Anfang Oktober hat die Bundesregierung die Mietpreisbremse beschlossen. Doch von allen Seiten hagelt es Kritik. Berlins Bürgermeisterkandidat Michael Müller plant weitergehende Maßnahmen.

Seit über einem Monat ist eines der Vorzeigeprojekte der großen Koalition beschlossene Sache: Das Kabinett billigte Anfang Oktober den „Gesetzentwurf zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten“ - die Mietpreisbremse. „Die Regelung wird dazu beitragen, dass Mieten auch für Normalverdiener bezahlbar bleiben“, erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss. In der ersten Jahreshälfte 2015 soll das Gesetz in Kraft treten. Doch es mehrt sich die Kritik von allen Seiten.


Kern des Gesetzes ist die Begrenzung der Mietsteigerung bei Wiedervermietung. Bei einem Mieterwechsel darf die neue Miete maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Das gilt jedoch nur für „angespannte Wohnungsmärkte“, die von den Kommunen für die Dauer von fünf Jahren bestimmt werden. Auch Neubauten sowie „umfassend modernisierte“ Wohnungen werden von der Regelung ausgenommen. So soll die Investitionsbereitschaft in diesem Bereich am Leben gehalten werden. Von einer umfassenden Modernisierung ist laut Bundesjustizministerium zu sprechen, wenn die Investitionen etwa ein Drittel der Aufwendungen für einen Neubau betragen.

Kritik von Mietern und Eigentümern
 
Genau an diesen Ausnahmen entzündet sich die Kritik der Opposition. Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin-Göring-Eckardt bezeichnet die beschlossene Mietpreisbremse als "löchrig wie ein Schweizer Käse" und geht die große Koalition hart an: "Beide Regierungsparteien haben im Wahlkampf mit dem Versprechen einer robusten Mietpreisbremse um Wählerinnen und Wähler geworben. Der gefundene Kompromiss ist Wählertäuschung erster Güte."

Kritik kommt jedoch auch von den Verbänden. Lukas Siebekotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), hält die Mietpreisbremse zwar für einen wichtigen Schritt hält, bezeichnet allerdings diese „Aufweichung" für "falsch und überflüssig“. „Dass der Neubau bei der Erstvermietung von der Mietpreisbremse ausgeschlossen bleiben soll, wäre noch akzeptabel gewesen. Dass die Ausnahme aber auch für die Zweit- und Drittvermietung gelten soll, ist unnötig.“ Zudem fordert der DMB bei einem Verstoß klar definierte Sanktionen.

Doch auch bei den Eigentümern stößt der Gesetzesentwurf auf Gegenwind. Der Eigentümer-Verband Haus und Grund beklagt, dass es nicht überall rechtssichere Quellen zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gibt. „Die Mietpreisbremse wird dem Wohnungsmarkt schaden und den bedürftigen Wohnungssuchenden nicht helfen“, kommentiert Haus & Grund-Präsident Rolf Kornemann und warnt vor einer Klagewelle: „Wir rechnen mit bis zu 150.000 zusätzlichen Streitigkeiten pro Jahr zwischen Mietern und Vermietern.“

Kornemann fordert, die Mietpreisbremse nur dort anzuwenden, wo ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt. So könnten Streitigkeiten im Keim erstickt werden. Der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) Axel Gedaschko stößt ins gleiche Horn, lobt allerdings die Ausnahme für Neubauten und die zeitliche Begrenzung auf fünf Jahre: „Damit hat die Vernunft letztlich doch die Oberhand über eine populistische Regelungen behalten.“

Ganz Berlin wird zum angespannten Wohnungsmarkt erklärt
 
Auch in Berlin wird der Beschluss grundsätzlich positiv aufgenommen. Noch-Stadtentwicklungssenator und Bürgermeisterkandidat der SPD Michael Müller lobt die Mietpreisbremse zwar, doch sie allein genügt ihm nicht. „Wir begrüßen die Mietpreisbremse ausdrücklich, sie schützt im Bestand vor übermäßigen Mietsteigerungen. Doch wir müssen uns auch um die Miethöhen im Neubau kümmern.“ Müller hat für ganz Berlin einen angespannten Wohnungsmarkt festgestellt - und schafft so eine Berlinweite Mietpreisbremse. Er will schnell zur Tat schreiten: „Wir werden handeln, sobald es möglich ist. Das wird nur ein paar Wochen dauern.“

Zwar beschwichtigt Müller, die Ausnahmen der Mietpreisbremse würden sich im „Promille-Bereich“ bewegen. Dennoch plant er für Neubauten in Berlin zusätzliche Maßnahmen. Als einen wichtigen Akteur sieht der Stadtentwicklungssenator die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. In der vergangenen Woche übertrug Berlin sechs landeseigenen Unternehmen 27 Grundstücke für den Bau von 1500 Wohnungen. 20 Prozent davon müssen für 6,50 Euro/qm vermietet werden müssen. „Ein möglichst hohe Anteil städtischer Wohnungen gibt dem Land Berlin die Möglichkeit, den Berliner Wohnungsmarkt als Akteur aktiv mitzugestalten“, so Müller.

Zusätzlich stellt Berlin Geld für Bauherren zur Verfügung. 320 Millionen Euro stehen seit diesem Jahr in einem Wohnungsneubauförderungsfond bereit. Voraussetzung für die Förderung: Die spätere Miete darf 7,50 Euro/qm nicht übersteigen. Außerdem wurde ein städtebaulicher Mustervertrag erarbeitet, der dabei helfen soll, die Interessen des Landes in Verhandlungen mit Investoren durchzusetzen.

Streit um bundeseigene Immobilien
 
Die durchschnittlichen Mieten in Berlin sind trotz steigender Tendenz in den letzten Jahren im bundesweiten Vergleich noch relativ günstig (Berliner Mietspiegel 2013: 5,54 Euro/qm). Doch der Markt ist hochdynamisch. Die durchschnittlichen Angebotsmieten sind deutlich höher und steigen schnell auf 8 bis 10 Euro/qm.

Und es gibt einen weiteren Streitpunkt zwischen Berlin und dem Bund: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) besitzt rund 4000 Wohnungen in der Hauptstadt. Allein vom 15. April vergangenen Jahres bis zum 30. Juni dieses Jahres veräußerte das bundeseigene Unternehmen 67 Grundstücke für rund 84 Millionen Euro. Immer wieder kam es in der Vergangenheit allerdings zu Uneinigkeit über die Verkäufe der BIMA. Müller fordert: „Der Verkauf nach dem Höchstpreisprinzip sollte ausgesetzt werden.“ Berlin hat dem Bund ein Angebot für die BIMA-Bestände auf Berliner Boden gemacht. Müller dringt zudem auf ein Vorkaufsrecht für städtische Wohnungsbaugesellschaften.

Doch neben mehr Ordnung auf dem Wohnungsmarkt kennt Müller vor allem ein Rezept für bezahlbare Mieten. In einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" beschreibt Müller, wie er den Sorgen vieler Bürger um steigende Mieten begegnet: "Meine Antwort lautet: Bauen, bauen, bauen."

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