Politik und Gesellschaft | Superbowl 2014
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Glitzernde Jackets treffen nackte Oberkörper: Bruno Mars und die Red Hot Chili Peppers |
Seatle
Seahawks gegen die Denver Broncos: Den meisten Deutschen sagen diese
Namen wenig. Doch in den USA bestreiten diese beiden Teams das größte
Event des Jahres. Der Superbowl - aus der Sicht eines unbedarften
europäischen Beobachters.
Das
größte Sportereignis der Welt soll es also sein. Was für Freunde
des gepflegten Rasenschachs, den die FIFA alle vier Jahre in
irgendwelchen Wüsten dieser Welt austrägt, recht unverständlich
klingt, ist für viele Amerikaner Gesetz. Zum Superbowl, dem Finale
der US-amerikanischen Football-Liga NFL, steht die USA still. Für
die dortige Werbeindustrie ist dieser Abend um ein vielfaches
interessanter als das Endspiel der Fußball-WM. Vier Millionen
US-Dollar kostet das Privileg, 30 Sekunden lang Produktinformationen
in der Halbzeitpause unters Volk bringen zu dürfen.
Für
das europäische Auge scheint dieser Hype schwer nachvollziehbar.
Doch in der vergangenen Woche setzte ProSieben-Sat1 alles daran, den
geneigten Fernsehzuschauer auch hierzulande in den Bann des
Spektakels zu ziehen. Allzweckwaffe Stefan Raab wurde für eine Woche
in die USA geschickt und sollte mit "TV Total live aus New York"
die Lust auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wecken. Als
Höhepunkt seiner Dienstreise wurde die Übertragung des Superbowls
mit ihm höchstselbst als Gast angekündigt. Und da man diesem
Angebot doch kaum widerstehen kann und das Ganze aus Gründen des
Allgemeinwissens auch durchaus interessant ist, beschloss auch ich,
mir den American Way of Life in Wohnzimmer zu holen. So fand ich mich
um 00:05 bewaffnet mit den obligatorischen Chicken-Wings (1,25
Milliarden werden davon in der Superbowl-Nach in den USA verdrückt)
vor dem Fernseher wider harrte der Dinge, die da kommen sollten.
Zumindest
der Kameramann tat seinen Teil, die Anwesenheit Stefan Raabs
entsprechend ins Szene zu setzen, indem er zuerst Moderator Frank
Buschmann in Großaufnahme zeigte, dann auf den Experten Jan Stecker
schwenkte und schließlich als Finale Furioso der Begrüßung den
Alleskönner des deutschen TV ins Bild holte. Schnell wurde jedoch
deutlich, dass es mit seiner emotionalen Verbundenheit zum Superbowl
nicht weiter her ist, als mit meiner. Im Minutentakt ließ er
launische Bemerkungen fallen, die das Großereignis auf eine Stufe
mit Schlag den Raab oder Zweitligapartien des 1. FC Köln stellte.
Sein persönliches Highlight des Abends war ein Hot-Dog mit
Sauerkraut. Kaum verwunderlich, dass er sich nur zweimal kurz im
Studio blicken ließ und ansonsten den beiden anderen Moderatoren das
Feld überließ.
Der
Regie schien deren gefälliges Gespräch in Zusammenspiel mit dem
aufgeregten Feldreporter Martin Quast, der im Vorfeld statt
sportlicher Fakten lieber die junge mexikanische Reporterin neben ihm
vorstellte, zu gefallen. Jedenfalls konnte sie sich mitunter davon
erst trennen, als die Seatle Seehawks den nächsten Touchdown bereits
bejubelten. "ran" entschuldigte sich bei Facebook bereits
und verwies auf die Abhängigkeit der amerikanischen Regie. Mich
störte das wenig, da ich zu dieser Zeit sowieso noch damit
beschäftigt war, die Football-Regeln bei Wikipedia zu studieren.
Auch wenn ich zunächst nur heilloses Durcheinander sah, bekamen die
Aktionen der Spieler nach und nach auch für meine Augen immer mehr
Sinn. Zum Ende hin ertappte ich mich sogar regelmäßig dabei, mit
Spannung darauf hinzufiebern, wieder einen erfolgreichen Spielzug zu
sehen. Das sollte allerdings auch die einzige Spannung in sportlicher
Hinsicht bleiben. Zur Halbzeit führen die Seattle Seehawks mit 22:0.
Doch
für Gelegenheitszuschauer wie mich ist die Halbzeitshow schließlich
mindestens genauso wichtig wie das Spiel. Auch wenn Bruno Mars meinen
persönlichen Geschmack nicht unbedingt trifft und ich überrascht
war, dass man ihm das Format zuschreibt, die Halbzeitshow zu
bestreiten, blieb auch mir die Schlüsselfunktion dieser Einlage
nicht verborgen. Sie vereint das Mainstream-Publikum, lockt auch
sport-uninteressierte an und macht international oft größere
Schlagzeilen als der sportliche Wettbewerb. Dass die Red Hot Chili
Peppers als Sidekick an der Seite von Mars auftraten, brachte
entweder eine mir bislang unbekannte Hierarchie der Musikbranche zum
Ausdruck oder aber zeigte lediglich die Schnelllebigkeit des
Showgeschäfts und in all seiner glänzenden und glitzernden
Jugendlichkeit. Für mehr als eine deplatziert anmutende Version von
"Give it away" war kein Platz in der schnieken Performance
von Bruno Mars.
Die
im Sinne der Spannung erhoffte Aufholjagd der Denver Broncos blieb
auch in der zweiten Hälfte aus, so viel sei an dieser Stelle bereits
gesagt. Ihnen gelang kaum etwas, den Seattle Seahawks hingegen eine
Menge, soviel konnte ich auch als Neuling feststellen. Am Ende stand
es 43:8. Die Seattle Seahawks gewannen die Superbowl zum ersten Mal
in ihrer Klubgeschichte. Doch für Zuschauer wie mich war das - trotz
allen neu gewonnenen sportlichen Erkenntnissen - eigentlich
nebensächlich. Der Eindruck eines Abends amerikanischer Showkultur
wog wesentlich schwerer. Es gab viel Feuerwerk, viele für Werbung
maßgeschneiderte Pausen und Gespräche zwischendurch sowie ein
logistisches Meisterwerk beim Bühnenaufbau für in der
Halbzeitpause. Das alles machte die Übertragung zu einem
gleichmäßigen Fluss aus sportlicher Spannung, kurzweiliger
Unterhaltung sowie einer gehörigen Portion Konsumkultur. Ein
bisschen war es, als ob man Netzer und Delling nicht vor und nach
einem Fußballspiel gebündelt, sondern in regelmäßigen Dosen über
den ganzen Abend verteilt vorgesetzt bekäme. Mit ebenso regelmäßigen
Unterbrechungen des Spiel natürlich.
Doch
ich scheine nicht der einzige gewesen zu sein, den diese Art der
nächtlichen Unterhaltung gereizt hat. Sat1 verzeichnete mit 610 000
Zuschauern (22% Marktanteil) eine gute Quote. Ich bin gespannt, wer
ich nächsten Jahr Halbzeitact sein wird, doch ich werde wohl wieder
dabei sein.
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