Politik und Gesellschaft | Jugendkultur
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Festivalisierung der Jugend: Der Glanz früherer Generationen als Vorbild. |
Viele Forderungen der Jugendbewegungen der 60er Jahre
sind Realität geworden. Doch auf die heutige Generation hat diese
Zeit noch ganz andere Auswirkungen. Ein Essay über die Faszination vergangener Jugendkulturen.
„Childhood
living, is easy to do.
The
things you wanted, I bought them for you.“
Es
war das Jahr 1971, als Mick Jagger diesen Satz im Song „Wild
Horses“ sang. Woodstock war vorbei, die Beatles Geschichte und die
Tragödie von Altamont hatte den 1960er Jahren einen düsteren
Schlussakkord beschert. Die sexuelle Revolution, die
Studentenbewegungen, Proteste gegen den Vietnamkrieg – dieses
Jahrzehnt hatte eine Menge erlebt und eine Menge bewegt.
Mit dem Blick eines 1990 geborenen Berliners wirkt diese Zeit auf mich faszinierend. Und auch wenn die Rolling Stones nie Bestandteil einer konkreten Jugendbewegung waren, so sprach Mick Jagger doch für eine Generation. Man muss diese Anfangszeilen aus „Wild Horses“ nicht als gesellschaftliches Statement verstehen, doch man kann. Ich tue es seit ich den Song zum ersten Mal gehört habe und einige Fragen gehen mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf: Hat die Generation der 60er Jahre wirklich alles erreicht, was man sich als Jugendlicher wünscht? Was für Auswirkungen hätte das auf meine Generation und was haben wir den Hippies und Alt-68ern denn eigentlich zu verdanken?
Mit dem Blick eines 1990 geborenen Berliners wirkt diese Zeit auf mich faszinierend. Und auch wenn die Rolling Stones nie Bestandteil einer konkreten Jugendbewegung waren, so sprach Mick Jagger doch für eine Generation. Man muss diese Anfangszeilen aus „Wild Horses“ nicht als gesellschaftliches Statement verstehen, doch man kann. Ich tue es seit ich den Song zum ersten Mal gehört habe und einige Fragen gehen mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf: Hat die Generation der 60er Jahre wirklich alles erreicht, was man sich als Jugendlicher wünscht? Was für Auswirkungen hätte das auf meine Generation und was haben wir den Hippies und Alt-68ern denn eigentlich zu verdanken?
Politische
Gesinnung, Pop-kulturelle Geschmäcker, gesellschaftliche Visionen –
all das schien sich in in den 60er Jahren zu einem ganzheitlichen
Zeitgeist zu vereinigen, der ein seiner Dimension seitdem einzigartig
blieb. Natürlich gab es unterschiedliche, teils sogar rivalisierende
Strömungen, von Hippies über Rocker bis hin zu den sogenannten
Alt-68ern. Doch sie alle einte eine progressive Abkehr vom
festgefahrenen Wertesystem der Elterngeneration. Natürlich fallen
mir einige geschichtliche Entwicklungen ein, die diese Generation
geprägt hat. Vor allem aber bleibt ein gewisse Gefühl, das diese
Zeit umgibt und das noch heute eine Faszination auf die Pop- und
Jugendkultur ausübt. Ein Gefühl, dass alle Möglichkeiten offen
sind, dass über alles geredet werden kann. Weder das Disco-Fieber
oder New Wave, noch nicht einmal der Punk scheint so bleibende Spuren
hinterlassen zuhaben wie die Bewegungen der 60er. Ich jedenfalls
konnte keine dieser Epochen so tief im gesellschaftlichen Verständnis
verankert finden, wie diese.
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In der Textilindustrie angekommen: John Lennon und Yoko Ono bei H&M |
Natürlich
ist das Lebensgefühl dieser Ära schon lange von der Werbeindustrie
entdeckt, vermarktet und vielfach romantisiert worden. Der
Rolling-Stones-Zunge auf T-Shirts von H&M war nur der Anfang.
Seitdem begann eine wahre Flut von Kleidungsstücken und Accessiores,
bedruckt mit Ikonen und Symbolen dieser Ära, in den großen
Modeketten der westlichen Welt. Meinen persönlichen Höhepunkt
entdeckte ich bislang bei H&M in Form eines T-Shirts mit Aufdruck
von John Lennons und Yoko Onos Bed-In. Die Werbeindustrie, ihres
Zeichens ja Experte für das gewisse Gefühl, scheint in dieser Ära
ein besonderes Potential zu sehen. Etwas, wonach eine Sehnsucht
besteht, etwas, was es heute nicht mehr gibt. Denn man kauft ja
schließlich, was man sein will, und nicht, was man schon ist. Wer
cool wie ein Cowboy sein will, kauft Marlborough. Wer cool wie die
Rolling Stones sein will, kauft H&M. Doch ich komme nicht um den
Eindruck herum, dass es mehr als nur Coolnes ist, was von den
Hippie-, Rock- und sonstigen 60er-Jahre-Symbolen ausgeht. Ist es die
freie Liebe? Ist es das sorglose Hippie-Gefühl? Ich weiß es nicht
genau, doch die Begeisterung um diese Ära scheint mehr zu sein, als
nur eine von der Industrie gewollte Trenderscheinung.
Gleichberechtigung
und sexuelle Revolution
Natürlich
sind da konkrete geschichtliche Entwicklungen, die auf die damalige
Zeit zurückgehen.Vieles, was uns heute selbstverständlich
erscheint, fußt auf Entwicklungen der 60 Jahre und wurde dort einst
hart erkämpft. Das, was man damals als sexuelle Revolution
bezeichnete, wird heute als normal empfunden. Die Rolle der Frau in
jener Zeit wird allen Fans der US-Serie „Mad Man“ Folge für
Folge schmerzhaft vor Augen geführt und noch immer erzählt mir
meine Mutter voller Entsetzen, dass man als Mädchen damals noch
nicht einmal ein Eis auf der Straße essen durfte. Es sei
unschicklich für eine Dame, der Öffentlichkeit die Zunge zu zeigen.
Getragen von den Worten Martin-Luther Kings nahm eine Entwicklung hin
zur Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen ihren Anfang und
auch die Toleranz für Homosexualität fand in diesem Jahrzehnt ihren
Ursprung. In Deutschland setzten sich Studenten mit dem Motto „Unter
den Talaren, der Muff von 1000 Jahren“ mit der Nazi-Vergangenheit
der Elterngeneration auseinander und räumten mit latenten
Überbleibseln dieser Zeit auf. Angefangen mit den Beatles und den
Rolling Stones setzte auch die Musikkultur unverwechselbare, neue
Maßstäbe. Es gibt zahlreiche entscheidende Weichen, die in dieser
Zeit gestellt wurden. Diese Werte sind heute gesellschaftlich so weit
anerkannt, dass man sich kaum vorstellen kann, wie es wäre, wenn es
diese Bewegungen nicht gegeben hätte..
Wenn
man sich den aktuellen Film „Not Fade away“ von David Chase
anschaut, kommt man zu dem Schluss, dass die 60er Jahre einen
Großteil ihrer Explosivität aus der Auseinandersetzung der
Generationen speisen. Auf der einen Seite eine konservative, spießige
Elterngeneration, auf der anderen eine junge, progressive,
revoltierende Jungend. Ich kann aus der Distanz nicht beurteilen, ob
es wirklich so schwarz-weiß-malerisch war damals, doch das ist das
Bild, das heute transportiert wird. Hier greift wieder das gewisse
Gefühl, in dieser Zeit etwas zu bekommen, was man sein oder haben
will. Und das scheint der Konflikt zu sein. Die arrivierte
Gesellschaft, das Establishment, bot der Jugend damals eine breite
Angriffsfläche. Die Elterngeneration schien geschlossen Ideale zu
verkörpern, die förmlich danach schrien, sich dagegen aufzulehnen.
Die Befürwortung des Vietnamkrieges in den USA, eigene Kriegsschuld
in Deutschland und in allen westlichen Ländern ein festgefahrener
Lebensentwurf, der keine Rücksicht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit nahm - die Grenzen für die Jugend war eng gezogen.
Die Freiheit jenseits dieser Grenzen schien dafür umso größer. Von
langen Haaren bis zu freier Liebe in Kommunen – die Jugend ließ
sich nicht einsperren und setzte den Eltern Lebensentwürfe entgegen,
die diese schier in Ohnmacht fallen ließen.
„Ich
möchte Teil einer Jugendbewegung sein“
Heute
ist es schwierig, sich etwas einfallen zu lassen, um die eigenen
Eltern der Ohnmacht auch nur nahe zu bringen. Raucht man heimlich in
seinem Zimmer einen Joint, setzt sich die Mutter dazu und erzählt
von all den Joints, die sie in Woodstock geraucht hat. Lässt man
sich lange Haare wachsen, holt der Vater ein Foto von 1967 heraus,
auf dem seine Haare doppelt so lang sind. Und merken die Eltern, dass
man ein turbulentes Liebesleben hat, kramen sie die alten Geschichten
aus Kommune 1 heraus. Die Liberalisierung der Gesellschaft hat
unheimlich viele Vorzüge, doch sie lässt der Jugend kaum noch die
Chance, sich zu emanzipieren. Wovon auch? Gesellschaftliche Normen,
die die Jugend in ihren Wünschen einschränken sind kaum noch
gegeben. Jeder kann alles machen. Niemand ist ausgeschlossen. Das ist
gut, keine Frage. Das sind Werte, die ich nie wieder missen möchte,
und man kommt sich fast undankbar vor, wenn man sich manchmal doch
wenigstens einen kleinen Angriffspunkt wünscht, an dem man sich von
den Eltern abheben kann.
Das
gilt jedoch nicht nur für jeden Einzelnen, sondern auch für die
ganze Generation. Tocotronic sangen schon 1995 „Ich möchte Teil
einer Jugendbewegung sein“ und stellten damit klar, woran es dieser
Generation fehlte. Es gab Goths, es gab Rocker, es gab Hip-Hopper, es
gab Metaller, doch es gab keine Bewegung, keine Ideologie, nichts,
was die ganze Generation einte und inhaltlich von früheren abhob.
Seitdem hat sich in dieser Hinsicht erschreckend wenig getan. Die
Indie-Bewegung ist gekommen und gegangen, doch hat sie weder alle
mitgenommen, noch hatte sie einen gedanklichen Unterbau. Die
Sehnsucht nach einer Bewegung, die alle aus voller Überzeugung
mittragen können, bleibt unbefriedigt. So ist der seit einigen
Jahren in den Metropolen der Welt für Aufsehen sorgende Hipster auch
nichts weiter als ein Ausdruck dieses Verlangens. Ein Trend, der
mangels geistigen Fundaments oder eigenem Inhalt, auf nichts weiter
baut, als auf die äußeren Merkmale vergangener, vermeintlich
schöner, Epochen. Der Konfrontation mit dem Hier und Jetzt wird so
aus dem Weg gegangen und die Frage nach dem Warum und Wofür bleibt
unbeantwortet. Hat Mick Jagger also doch recht? Haben alles, was die
Jugend will, frühere Generationen bereits erreicht und uns bleibt
heute nichts mehr übrig als dem hinterherzuträumen?
Vom
Heißsporn Fischer zur Taktikerin Merkel
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Der letzte Live-Rock'n'Roller der Politik: Joschka Fischer in Turnschuhen |
Ein
„Ja“ als Antwort auf diese Frage wäre wahrlich deprimierend. Und
um ihr ein überzeugendes „Nein“ entgegenzusetzen, muss ich
vielleicht etwas weiter ausholen. 2005 verließ mit Joschka Fischer
„der letzte Live-Rock'n'Roller“ die Politik in Deutschland. Nach
der Kohl-Ära war 1998 eine Rot-Grüne Regierung unter Gerhard
Schröder an die Macht gekommen und die personifizierte
Nachkriegsspießigkeit war von den Revoluzzern von eins abgelöst
worden. Führende Köpfe der Studentenbewegung in Deutschland wie
Otto Schily oder eben Joschka Fischer standen nun in der
Verantwortung und hatten den Regierungsauftrag, das Land nach ihren
Vorstellungen zu gestalten. Die von Schröder ausgerufene „neue
Mitte“ der Gesellschaft schien es zu goutieren, dass die
revoltierende Generation der 60er Jahre jetzt das Sagen hatte. So wie
viele ihrer Werte sich in der Gesellschaft etabliert hatten, schienen
auch ihre Persönlichkeiten dem Geist der Zeit zu entsprechen. Mit
genügend historischem Abstand wandelte sich die öffentliche
Bewertung Joschka Fischers Auftritt in Turnschuhen im hessischen
Landtag oder seiner verbalen Ausfälle („Mit Verlaub, Herr
Präsident, Sie sind ein Arschloch“) von ungehörig zu
charakterstark. Heute muss man sich allerdings nicht lange umschauen,
um festzustellen, dass es damit vorbei ist. Kühl kalkulierende
Machtpolitiker, deren ausgereiftestes Exemplar sich bis an die
Regierungsspitze vorgearbeitet hat, haben Schrödersche Regierung
abgelöst. Nicht nur anhand der Beliebtheit Angela Merkels in den
Umfragen, sondern auch anhand meiner persönlichen Erfahrungen meine
ich festmachen zu können, dass dieser Trend nicht nur die Politik
betrifft, sondern die Gesellschaft ganz und gar durchdrungen hat.
Eine distanzierte und abwartende Geisteshaltung, die im Notfall auch
mal 180-Grad-Wendungen vollzieht, scheint dieser Zeit mehr zu
entsprechen, als eine auf Überzeugungen bauende Vision. Der Geist
der Alt-68er ist passé.
Die
allgegenwärtige Wirtschaftskrise, die es sich auf absehbare Zeit in
Europa bequem gemacht zu haben scheint, hat auch auf die Jugend
erhebliche Auswirkungen. Studieren, das höre ich immer wieder, war
in den 60ern noch eine unbeschwerte Zeit, in der man sich Gedanken
und Gott und die Welt machte. Heute ist es vom ersten Tag an ein
Kampf um Noten, Rankings und letztlich Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Sorglosigkeit scheint weiter weg zu sein denn je. Die direkte Art
eines Joschka Fischer, der immer mit Herzblut für seine Sache focht,
und dabei auch mal das Wagnis eingeht, übers Ziel hinauszuschießen,
ist einer auf Sicherheit bedachten Einstellung gewichen, die jedes
Risiko meidet und das eigene Wohl im Sinn hat. Denn übermäßiges
Engagement für die Allgemeinheit kann man sich angesichts von
Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent in manchen EU-Ländern
nicht mehr leisten. Das ist natürlich nicht das Umfeld, in dem
Jugendbewegungen entstehen.
Entertainment
statt Engagement
Doch
gleichzeitig zeigt es, dass mit nichten alles erreicht ist. Die
Generation der 60er Jahre hat uns große Freiheiten beschert, doch
die Welt steht nicht still. Es gäbe genügend Herausforderungen, der
wir uns heute stellen könnten und müssten. Der Klimawandel wird
seit fast 20 Jahren thematisiert, doch es sieht bislang nicht so aus,
als ob das allseits akzeptierte Zwei-Grad-Ziel realisiert wird. Das
Wirtschaftssystem produziert Ungerechtigkeit am Fließband, doch
ändern will daran niemand etwas. Anstatt aber dagegen zu
protestieren, geht jeder lieber seiner eigenen kleinen Welt nach.
Frei nach dem Motto: Solange bei mir alles gut läuft, gibt es keinen
Grund zu klagen. Ein Ausdruck dieser Mentalität ist es, dass in
Deutschland nur der eigene Vorteil als Argument für die kostspielige
Euro-Rettung zu zählen scheint. Solidarität für das griechische
Volk oder eine Vision eines geeinten Europas zieht da nicht. Man
könnte es schon fast symptomatisch nennen, dass der 66-jährige
Kanzlerkandidat genau damit zu punkten versuchte und scheiterte.
Komplizierter für die Jugend von heute macht es auch die Tatsache,
dass der potentielle Gegner heutzutage differenziert, oftmals anonym
und kaum greifbar ist. Wer weiß schon, wer wirklich Schuld an der
Euro-Krise ist? Die Banken, die maroden Staaten oder gleich das ganze
System? In diesem Umfeld ist es schwer, den Antrieb zu finden, sich
zu engagieren, sich Alternativen zu überlegen und vor allem die
ganze Generation dafür zu gewinnen. Dabei täte genau hier der Geist
der Alt-68er gut. Man könnte sogar so weit gehen, zu sagen, dass es
Not tut, die Energie und Motivation der 60er Jahre wiederzubeleben.
Und
das Verlangen nach Revolution und dem wilden Leben? Das kann man ja
auch anders stillen. Die Unterhaltungsindustrie bietet ja genügend
Möglichkeiten. Auch das jugendliche Revoluzzertum hat die
Unterhaltungsbranche natürlich schon längst gekapert und erschafft
regelmäßig kleine Pop-Figuren, die nur darauf ausgerichtet ist, das
Revoltieren der Teenager abzuleiten und in geordneten Formen zu
steuern, die möglichst über ein paar gefärbte Haarsträhnen nicht
hinausgehen. Auch ich fand Avril Lavigne mit 12 gut. Aber mit
steigendem Alter erkennt man doch, dass das Aufbegehren hier nur noch
eine Geschäftsidee ist, der Geist der Revolution nicht mehr, als
eine Taktik, mit der kräftig Geld verdient wird. Doch immer häufiger
kommt es mir so vor, als würde man nicht nur pubertierende Teenager
mit dieser Masche ruhig stellen wollen. Auch älteren Semestern
werden kommerzielle Figuren und Events zum Abreagieren zur Seite
stellt, um sie vom eigenen Protestpotential abzulenken. Jedes
Festival ahmt den Geist Woodstocks nach, fast jeder Club versucht,
die Coolness vergangener Generationen wieder zu Leben zu erwecken und
jede Werbung verspricht ein Leben wie ein Rockstar. Das an sich wäre
nichts allzu neues, doch erschreckend ist, dass es so scheint, als
ließe sich die heutige Generation wirklich damit abfertigen, sich
äußerlicher Merkmale vergangener Epochen zu bedienen. Sie scheint
sich damit zufrieden zu geben, das kommerzielle Erbe dieser
Bewegungen zu unterstützen. Jimi-Hendrix-T-Shirt überstreifen,
revolutionäres Schuhwerk anziehen (wahlweise Chucks oder Doc
Marten's) und einmal im Jahr zu Rock am Ring – fühlt sich fast so
an, als wäre man Teil von etwas ganz Großem. Diese Attribute der
früherer Generationen Jahre sind allerdings reine
Unterhaltungselemente, nicht mehr als ein Accessoire für die
Freizeit. Mit einem gesellschaftlichem Aufbegehren, einem
demonstrierenden Engagement hat das nichts mehr zu tun.
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Zelten als Protest: Occupy-Bewegung am Berliner Hauptbahnhof |
Mir
ist natürlich klar, dass nichts von dem, was ich hier geschrieben
habe, zu generalisieren ist. Auch in den 60er Jahren wird nicht jeder
Jugendliche Steine schmeißend auf die Straße gegangen sein und auch
heute gibt es einige sehr engagierte Vertreter unserer Generation.
Ich behaupte auch gar nicht, dass ich dabei mit gutem Beispiel voran
gehe, denn schließlich sitze ich hier und schreibe diese Zeilen,
anstatt auf dem nächsten APO-Treffen für Visionen für morgen zu
werben. Doch die Begeisterung, mit der sich die Medien auf
Protestbewegungen der heutigen Zeit werfen, zeigt, wie sehr hier ein
Protest-Vakuum wahrgenommen wird. Waren es auch nur ein paar Zelte am
Berliner Hauptbahnhof; die Schlagzeilen hatte die Occupy-Bewegung
damit schon sicher.
Sicher
ist, dass die 60er auch in der heutigen Zeit noch merkliche Spuren
hinterlassen haben. Ihre Errungenschaften gelten auch in der heutigen
Jungend noch als cool, doch eher als Lifestyle-Element, als wegen
ihrer Inhalte. Trotz der Allgegenwärtigkeit der Symbole dieser Zeit,
scheint man vergessen zu haben, was diese Ära eigentlich ausgemacht
hat. Anstatt unsere Zeit selbst zu prägen besinnen wir uns lieber
vergangener Epochen, die ihrerseits als prägend wahrgenommen werden,
und hoffen, dass von diesem Glanz etwas auf uns abfällt.
Gleichzeitig hat diese Art der Reproduzierung eine gewisse Sättigung
bewirkt. Dass vieles, wofür die Jugend früher kämpfte, heute
bereits erreicht ist, darf nicht als Ausrede missbraucht werden, sich
kritiklos mit dem Status Quo zufrieden zu geben. Ebenso wenig die
Tatsache, dass Visionen auch zu schrecklichen Trugschlüssen führen
könne, wie die Pädophilie-Aufarbeitung der Grünen in Deutschland
deutlich zeigt. Letztlich kann ich Mick Jagger also nur zum Teil
Recht geben. Die Generation der 60er Jahre hat viel erreicht. Einiges
sind Dinge, die sich jeder Jugendliche wünscht, einiges Dinge, nach
der heute die ganze Gesellschaft verlangt. Ganz und gar falsch und
geradezu gefährlich für die Zukunft ist jedoch der ausschließlichen
Charakter seiner Worte. Es wurden bei Weitem nicht alle Dinge
erreicht, die Jugendliche wollen, und erst recht nicht alles, was die
Gesellschaft braucht. Es warten zahlreiche Herausforderungen auf die
Jungend und alle, die sich für eine bessere Zukunft engagieren
wollen. Wir alle müssen dabei das gewisse Gefühl der letzten Jahre
abstreifen, die Lethargie loswerden und frei von den alltäglichen
Problemen wieder gesellschaftliche Visionen erschaffen, die das Hier
und Jetzt hinterfragen, um das Morgen zu verbessern. Es bleibt zu
hoffen, dass die Generation von heute irgendwann merkt, dass auch in
unserer Gesellschaft in vielerlei Hinsicht weiterhin ein Satz gilt,
der den Rolling Stones sowieso sehr viel mehr Aufmerksamkeit beschert
hat als die eingangs zitierten Zeilen: „I can't get no,
Satisfaction“!
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